Mobility-Choices

 

Das Mobility-Choices Projekt wird einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der nachhaltigen und „sanften“ Mobilität im Bodenseeraum liefern, indem es empirisch untersucht, welche Maßnahmen tatsächlich Verhaltensänderungen herbeiführen.

Insbesondere der grenzüberschreitende Verkehr spielt sich immer noch weitgehend auf der Straße ab.

Dies führt regelmäßig zu Staus und einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber dem Individualverkehr, die sich jedoch (noch) kaum im Alltagsverhalten niederschlägt. Diese Widersprüche lassen sich durch Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie erklären, die aufzeigen, dass Menschen oft nicht im Sinne ihrer eigenen Vorstellung einer besseren gesünderen Umwelt entscheiden, sondern von Gewohnheiten oder sozialen Einflüssen geleitet werden. Deshalb setzen Behörden zunehmend sanfte „Stupser“ (vom Englischen „to nudge“) ein, um Menschen in eine gewünschte Richtung zu bewegen, ohne sie durch Sanktionen oder Verbote zu bevormunden.

Das Projekt begegnet der Herausforderung, indem es eine empirisch fundierte Evidenzbasis für politische Entscheidungsträger schafft, um zu erkennen, welche Maßnahmen wann, wo und für wen wirken.

Skizze

Partner und Beteiligte:

Projektleitung: FHV (Kontakt: Prof. (FH) Dipl. Inform. Thomas Feilhauer)

Institut für Informations- und Prozessmanagement der FHS St. Gallen (Kontakt: Prof. Dr. Edith Maier)

Kairos gGmbH, Institut für Wirkungsforschung (Kontakt: Martin Strele), Bregenz

 

Quellcode der App:

Der Quellcode von Mobility Choices steht auf Github als Open Source unter GNU AGPLv3 zur Verfügung

 

Fördergeber:

Mobility Choices war ein EU-Projekt, an dem sich das Land Vorarlberg und der Kanton St. Gallen beteiligten. Das Projekt wurde im Zeitraum 2016 bis 2019 vom Interreg-Programm Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein gefördert.

Ergebnisdetails zur App zum Erfassen von Wegen und Anzeigen von Routen

Als ein Ergebnis des Forschungsprojekts wurde die für iOS im Appstore und für Android im Playstore verfügbare App entwickelt, die

  • auf Wunsch Wege der User aufzeichnet und dabei 
  • automatisch die verwendeten Verkehrsmittel erkennt,
  • den Weg nach den Kriterien Umwelt, Gesundheit, Kosten, Zeit analysiert und
  • alternative Verbindungen anzeigt, die den gewichteten Kriterien besser entsprechen;
  • den Usern Routen anzeigt, 
  • die nach den Präferenzen auf Basis der Kriterien Umwelt, Gesundheit, Kosten, Zeit bewertet werden,
  • als Alternativen für bereits zurückgelegte Wege oder
  • für die Planung neuer Wege.

 

Der User kann dabei ein eigenes Profil erstellen, in dem er:

  • seine bevorzugten Verkehrsmittel vorgibt und zusätzlich Kriterien vorgibt, die für die Routensuche berücksichtigt werden, z.B. Max. Anzahl Umsteigen, Max. Wartezeiten, max. Streckenlängen für Fußwege und Fahrradentfernungen
  • eigene Prioritäten für seine Wege vorgibt im Bezug auf Umwelt, Gesundheit, Kosten, Zeit, die für die Bewertung seiner Wege und die vorgeschlagenen Routen herangezogen werden.

Die aufgezeichneten Wege können vom User editiert werden im Bezug auf die verwendeten Verkehrsmittel und Zwischenziele, die wiederum bei der Suche nach Alternativrouten berücksichtigt werden. Der User kann die Wege aufsplitten und abschließend beliebige (Teil-)Wege für Auswertungen durch am Projekt beteiligte Regionen oder Gemeinden freigeben. Dabei werden die Wegdaten anonymisiert und helfen mit, reale Verkehrsströme zu analysieren und die Verkehrsinfrastruktur zu verbessern.

Die App kann daher z.B. verwendet werden für die Ermittlung von realen Bewegungsprofilen von Teilnehmern an Verkehrsbefragungen, ohne dass diese ihre Wege aus dem Gedächtnis oder aus persönlichen Aufzeichnungen heranziehen müssen, was erfahrungsgemäß zu einer gewissen Ungenauigkeit führt. Für die Auswertungen stehen damit die tatsächlichen Weginformationen mit allen Zwischenzielen, Umwegen, Start- End- und Wartezeiten, sowie den verwendeten Verkehrsmitteln für jeden Teilabschnitt zur Verfügung. Dadurch ist eine wesentlich präzisere Analyse des Verkehrsverhaltens möglich als mit herkömmlichen Mitteln.

Die Vorteile für den User liegen darin, dass er sich über die App Routen mit den Verkehrsmitteln anzeigen lassen kann, die seinen Vorstellungen im Hinblick auf die in seinem Profil gewählten Kriterien Umwelt, Gesundheit, Kosten, Zeit am besten entsprechen. Die Funktionalität ist aktuell auf das Bodenseegebiet beschränkt; das Routing ist speziell auf das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel in der österreichischen und Schweizer Bodenseeregion sowie der Stadt Lindau abgestimmt.

Jeder App-Benutzer hat die Möglichkeit, sein Profil persönlich zu gestalten. Dabei gibt es die Möglichkeit, die Wichtigkeit der Kriterien “Umwelt”, “Gesundheit”, “Kosten” und “Zeit” seinen eigenen Präferenzen nach zu definieren, zur Verfügung stehende Verkehrsmittel auszuwählen und auch Schwellwerte zu setzen (z.B. maximaler Fußweg, maximale Anzahl der Umstiege oder maximale Wartezeiten bei Wegen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, etc.).

App Interface

Die zurückgelegten Wege der App-Benutzer werden auf Knopfdruck (“Weg aufzeichnen”) aufgezeichnet. Nach dem Abschließen der Wegaufzeichnung erscheint der aufgezeichnete Weg zunächst unter “Alle Wege” im Abschnitt “Auszuwertende Aufzeichnungen”. Nach Betätigung des “Auswerten”-Buttons wird der Weg automatisch im Bezug auf die verwendeten Verkehrsmittel analysiert. Dies kann mehrere Sekunden bis wenige Minuten in Anspruch nehmen. Nach Betätigen des Synchronisieren-Buttons (Kreis-Symbol oben rechts) wird der analysierte Weg auf das Smartphone geladen und erscheint im Abschnitt “Freizugebende Aufzeichnungen”. Hier kann der User den Weg editieren (Name, Verkehrsmittel, Weg aufteilen) und entscheiden, ob er den Weg tatsächlich freigeben möchte. Wenn der Weg freigegeben wird, dann erscheint er im Abschnitt “Freigegebene & ausgewertete Wege”, wird anonymisiert auf dem Server gespeichert und wird auf die zuvor eingestellten Benutzerpräferenzen “Umwelt”, “Kosten”, “Gesundheit” und “Zeit” analysiert.

App Interface

Alle aufgezeichneten Wege werden gespeichert und können immer wieder vom App-Benutzer angesehen werden. Außerdem können Alternativen zu diesen Wegen berechnet werden lassen, um dem App-Benutzer zu helfen, die von ihm definierten Präferenzen besser einzuhalten.

App Interface

Für die Planung neuer Wege können beliebige Start- und Zielorte eingegeben werden. Auf Basis der Profildaten (vorhandene Verkehrsmittel, Präferenzen und Schwellwerte) werden dann entsprechende Routen von mehreren Routing-Anbietern geladen, die Benutzerpräferenzen analysiert und die gefundenen Wege inklusive deren Bewertung angezeigt.

App Interface

Web-Applikation zur Analyse der von den Usern aufgezeichneten und freigegebenen Wege

Die Mobility Choices Analyse-Applikation umfasst die Konzeptionierung und Implementierung eines Analysewerkzeugs zur Auswertung von realen Verkehrsströmen, die in Form von GPS-Tracks, aufgezeichnet mit Hilfe der Mobility Choices App, vorliegen. Aufbauend auf den Anforderungen für verbreitete Verkehrsanalysen-Methoden, wie z.B. KONTIV, wurde ein flexibles, modulares und einfach konfigurierbares Analysewerkzeug geschaffen werden, das es erlaubt, die vorliegenden Tracks nach verschiedenen Parametern zu filtern, auszuwerten und anzuzeigen. Relevante Parameter hierfür sind z.B. Verkehrsmittel, Zeiträume, geografische Regionen oder Nutzergruppen. Dazu wurden verschiedene Data-Mining-Techniken eingesetzt. Da die Anwendung über das Web bedienbar sein soll, wurde für die Implementierung die Programmiersprache R mit dem Plug-In Shiny gewählt. Die Innovation liegt darin, dass die Auswertungen von Verkehrsströmen mit Hilfe des entwickelten Werkzeugs anhand real aufgezeichneter Verkehrsdaten vorgenommen werden können und nicht mehr aus Fragebögen im Nachhinein von den Teilnehmern erhoben werden müssen, die naturgemäß ungenau und fehleranfällig sind. Dies führt zu einer zuverlässigeren Datengrundlage und, daraus resultierend, besseren Analyseergebnissen.

Navi Routenansicht
Navigation Route

Projektziele waren:

Abgesehen vom übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Mobilität und damit verbunden einer Reduktion von Treibhausgasemissionen hat das Projekt folgende Ziele verfolgt:

1. Schaffen einer Entscheidungsgrundlage für Behörden, Kommunen oder Organisationen (gesellschaftlich-politische Ebene)

2. Fördern nachhaltiger Verhaltensänderungen mit Hilfe von verhaltensökonomisch fundierten Maßnahmen (individuell-soziale Ebene)

Im Rahmen des Projekts wurde eine kostenlos zu verwendende, auf Smartphones basierende Anwendung (App) entwickelt, die auf das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel in der grenzüberschreitenden Bodenseeregion abgestimmt ist und sich an individuelle Präferenzen der Nutzer anpassen lässt. Ergänzt wird die App durch eine Auswertungsmöglichkeit, die beteiligten (z.B. kommunalen) Stellen behilflich ist, um maßgeschneiderte und zeitlich befristetet Auswertungen der Verkehrsströme auf Basis der teilnehmenden (oder kurzfristig aktivierbaren) App-Nutzer durchführen zu können.
Die über die Anwendungen gesammelten und anonymisierten Daten können verwendet werden

  • für unmittelbares Feedback an die Anwender, um diese zur Veränderung ihres Verkehrsverhaltens auf Basis ihrer eigenen Präferenzen anzuregen,
  • für die Analyse von Verkehrsströmen, v.a. bezüglich beobachtbarer Veränderungen und Trends (auch ohne Repräsentativität für die Gesamtbevölkerung relevant) unter Berücksichtigung von nahezu Echtzeitdaten
  • zum Ermitteln des Verkehrsverhaltens in den untersuchten Regionen,
  • zur Optimierung vorhandener öffentlicher Verkehrsangebote,
  • zur Evaluation von Maßnahmen im Verkehrsbereich mit einer unmittelbaren Rückkopplungsmöglichkeit
  • zur städtebaulichen Planung (z.B. Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen, Wohngebieten),
  • um die Präferenzen und Ansprechrate bestimmter Zielgruppen, wie beispielsweise Pendler, besser kennenzulernen.

Was den Einsatz von Nudging-Maßnahmen betrifft, geht es darum, herauszufinden, welche begleitenden Maßnahmen bei welchen Zielgruppen unter welchen Rahmenbedingungen geeignet sind, das Verkehrsverhalten zu beeinflussen.

Im Rahmen des Projekts sind die folgenden Maßnahmen vorgesehen:

  • Aufzeichnen der zurückgelegten Wege der TeilnehmerInnen mit automatischer Verkehrsmittelerkennung mittels Smartphone-App und Aufzeigen der Auswirkungen auf Umwelt, Kosten, Gesundheit
  • Generieren von Vorschlägen für alternative Verkehrsmittel-Kombinationen entlang vorgegebener Ausgangs- und Zielpunkte basierend auf Benutzer-Präferenzen
  • Verhaltensökonomisch fundierte Maßnahmen zur probeweisen Verkehrsmitteländerung und Monitoring der dadurch erzielten Erfolge im Hinblick auf diese Kriterien.

In Feldtests wird untersucht, welche Verhaltensauswirkungen die Verwendung der App auf die Mobilitätsentscheidungen hat. Mit der Auswertung der realen Mobilitätsdaten lassen sich das ÖPNV-Angebot und die Infrastrukturplanung langfristig optimieren.