Gemeinsam Energie produzieren und nutzen

 

Sie sind längst in der öffentlichen Diskussion angekommen und rund einhundert wurden bereits erfolgreich in Österreich gegründet: Energiegemeinschaften – der wirtschaftliche Zusammenschluss von mindestens zwei Teilnehmer:innen zur gemeinsamen Produktion und Nutzung von Energie. Damit Energiegemeinschaften zum Hebel für die Transformation des Energiesystems werden, ist technologisch noch vieles zu erforschen und entwickeln.

Zwei Männer stehen auf einem Dach und bringen Photovoltaik-Panele an | © AdobeStock

Mit Energiegemeinschaften sollen die österreichischen Bürger:innen aktive Player der Energiewende werden. Durch eine gemeinschaftliche Nutzung sollen beispielsweise die Errichtung und der Betrieb von PV-Anlagen wirtschaftlicher werden und privates Kapital zum Hebel für die Transformation des Energiesystems werden. Doch um das Potenzial wirklich entfalten zu können ist es notwendig, die Verbräuche und Erzeugung innerhalb der Energiegemeinschaften möglichst aufeinander abzustimmen. Nachdem die erneuerbare Erzeugung durch äußere Faktoren bestimmt ist, wie beispielsweise der PV-Ertrag durch das Wetter, wird es nötig sein, die Flexibilität von Verbrauchern wie Wärmepumpen, Elektroautos oder Batteriespeichern nutzbar zu machen.

Chancenreicher Wachstumsmarkt
Projektleiter Peter Kepplinger, Forschungszentrum Energie der FHV, erforscht seit mittlerweile zehn Jahren die Nutzung von Flexibilitäten in Energiesystemen und berichtet: „Die Forschung der letzten Jahre in diesem Feld hat viele technische Lösungsansätze für die optimale Nutzung von Flexibilitäten hervorgebracht. Diese könnten gerade durch die neuen Rahmenbedingungen für Energiegemeinschaften endlich den Weg in die Umsetzung finden. Hier setzt unser neues Projekt Hub4FlECs an.“ Gemeinsam mit dem Center for Energy and Environment und dem Center for Building Technology der Fachhochschule Burgenland will das Team des Forschungszentrums Energie rund um Peter Kepplinger die Kompetenzen aufbauen, die nötig sind, um in weiterführenden F&E-Projekten den Sprung der notwendigen Technologien in die Praxis zu schaffen. „Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben nicht die Kapazitäten, technische Lösungen aufzubauen, die direkt in Energiegemeinschaften einsetzbar sind“, führt Kepplinger weiter aus. Beispielsweise seien Ladestellenbetreiber für E-Autos oder Batteriehersteller nicht darauf spezialisiert, Lösungen für ein Flexibilitätsmanagement anzubieten, das die zur Verfügung stehende Energie auch innerhalb der Energiegemeinschaft möglichst optimal nutzt.

Agentenbasierte Systeme
Methodisch soll der Schwerpunkt auf die Entwicklung agentenbasierter Systeme gelegt werden. Das Paradigma aus der Software-Entwicklung erlaubt es, die Rechenkapazitäten vieler einzelner Systeme zu nutzen, um gesamthaft ein gutes Resultat zu erzielen. Im Falle von Energiegemeinschaften sind die einzelnen Agenten Steuergeräte von flexiblen Verbrauchern wie Wärmepumpen oder Batteriespeichern. Mithilfe von Simulationen werden verschiedene agentenbasierte Ansätze auf typische Konfigurationen in Energiegemeinschaften getestet. Die Laborinfrastruktur der FH Burgenland dient inklusive vorhandener digitalisierter Gebäude in Form von Hardware-in-the-loop für Testzwecke.

Flexibilisierung von Energiegemeinschaften
Im Rahmen des Projekts wird auch über die Grenzen der Energiegemeinschaft hinausgeblickt, denn im künftigen Energiesystem spielen mehrere Aggregations- und Optimierungsebenen eine Rolle. Innerhalb all dieser werden Flexibilitäten wirtschaftlich und technisch genutzt werden: Neben der Anlage des einzelnen Kunden und der Energiegemeinschaft kommt es mitunter zu verschachtelten Energiegemeinschaften. Darüber liegen virtuelle Kraftwerke, die Flexibilitäten bündeln, sowie der übergeordnete Regelenergiemarkt zur Stabilisierung des elektrischen Netzes. Die Energiegemeinschaft kann ihre verbleibende Flexibilität – also jene, die sie nicht selbst nutzen kann – auch in diesen übergeordneten Schichten anbieten und somit für das Gesamtsystem nutzbar machen.

Hub4FlECs bündelt und erweitert die Kompetenzen der beiden Fachhochschulen Burgenland und Vorarlberg und soll zur Anlaufstelle für Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit der Industrie im Bereich Flexibilisierung von Energiegemeinschaften werden.

 

Zur Person:
Peter Kepplinger, Senior Postdoc mit Leitungsfunktion am Forschungszentrum Energie, lehrt und arbeitet seit zehn Jahren an der FHV im Bereich der Modellierung, Simulation und Optimierung von Energiesystemen. Sein Team forscht in mehreren Forschungsprojekten mit regionalen, nationalen und internationalen Partnern zu aktuellen technischen Problemstellungen der Transformation des Energiesystems.

Prof. (FH) Dr. Peter KEPPLINGER
Leiter illwerke vkw Stiftungsprofessur für Energieeffizienz, Leiter des Forschungszentrums Energie
V720

März 2022