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„Es gilt, Führung anders zu denken“

26.09.2025
Daniel Zacher, Experte für agile Transformation, New Work und Empowering Leadership, ist im Rahmen von „Blickpunkt Wirtschaft“ am 30. September an der FHV zu Gast. Im Interview spricht er über die elementare Veränderung der Führungsrolle und der damit verbundenen Kultur, Prinzipien einer high-performing Organisation und Growth Mindset.
 
In Ihrer Keynote geht es um Empowerment als Funktionsprinzip zukunftsfähiger Organisationen. Führung spielt dabei eine bedeutende Rolle. Jedoch werden Hierarchien weniger wichtig und es benötigt neue Führungskonzepte. Wie können diese aussehen?

Zacher: Die Führung der Zukunft soll ermöglichen, dass Entscheidungen dezentraler, schneller, kompetenter getroffen werden können. Denn die Hierarchie ist nicht mehr in der Lage, in dieser komplexen Welt alle relevanten Themenstellungen vollumfänglich beurteilen und selbst entscheiden zu können. Daher geht es in Zukunft mehr darum, die existierende Macht der Hierarchie besser auf die fähigsten Mitarbeitenden zu verteilen und gleichzeitig auf Zeit zu beschränken. So können von diesen die wahrscheinlich erfolgsversprechendsten Entscheidungen schneller getroffen werden.

 
Die Führungsrolle verändert sich also?

Zacher: Es geht um Empowerment und das Empowern der Mitarbeitenden und vor allem der Teams. Die Rolle von Führung verändert sich dadurch elementar. Sie konzentriert sich mehr auf das Möglichmachen, Unterstützen, Vernetzen, Bestärken, Reflektieren, Befähigen, das konstante Verändern der Strukturen und Rahmenbedingungen, also Arbeit am System. Ebenso ist die Führungskraft in gewisser Hinsicht Schiedsrichter:in, wenn es um die Auslegung von Regeln und die Anpassung und Veränderung der Checks-and- Balances-Logik des Systems geht.
 
 
Um diese neuen Führungskonzepte in Organisationen umzusetzen, benötigt es meist eine Kulturveränderung. Wie kann das gelingen?

Zacher: Es gilt, bei Mitarbeitenden und Führungskräften zugleich ein Verständnis dafür zu schaffen, dass es nicht um einen Trend geht, dem man versucht nachzulaufen. Vielmehr muss sich die Organisation in Gesprächsrunden, Diskussionen und Workshops erarbeiten, was die schwerwiegendsten Herausforderungen der Zukunft sind und wie existierende Problemstellungen und nicht bearbeitete Konflikte die Entwicklung der Organisation hemmen. Für viele ist ein solches Vorgehen unüblich, da diese Themenstellungen oftmals unbearbeitet bleiben. Geht man sie aber effektiv und wohlüberlegt moderiert an, kann die Diskussion auf mögliche elementare Stellhebel gelenkt werden.
 
 
Was wären erste Schritte in Bezug auf die Kulturveränderung?

Zacher: Viele Teams identifizieren für sich schnell den Aspekt der Führung und die Notwendigkeit einer andersartigen Kollaboration. Oftmals ist dadurch der Sense of Urgency geweckt, was erste Experimentierräume mit neuen Methoden, Techniken und Tools möglich macht. Dadurch wird konkreter und klarer, worum es in Zukunft geht, und Teams beginnen zu üben und zu lernen. Grundsätzlich gilt, diese Kulturveränderung kann nur in einem partizipativen, integrativen und vollkommen transparenten Prozess gestaltet werden, da dies auch die Grundprinzipien des späteren Zielzustands der Führung und Interaktion der Teams untereinander sind.
 
 
Das Ziel für viele Unternehmen ist es, in Richtung einer high-performing Organisation zu kommen. Sportteams sind ebenso high-performing Organisationen. Sehen Sie hier aus Ihrer Erfahrung Verbindungen oder Ähnlichkeiten zu Unternehmen, die erfolgreich sind? Falls ja, welche wären das?

Zacher: Ja absolut. Für Sportteams ist es inzwischen unerlässlich, Themen wie Psychologische Sicherheit, Mentale Gesundheit, Achtsamkeit und viele weitere psychologische Perspektiven als elementaren Bestandteil mitzudenken und zu gestalten. Dadurch verändert sich der Trainingsalltag, ebenso das Trainer:inne- und Unterstützer:innen-Team. Angstfreie Räume führen zu erweiterten Lernzonen, die wiederum zu höheren Performance-Standards, ambitionierteren Zielsetzungen und zum Schluss höherer Leistung bzw. Performance führen.
 
 
Wie können Firmen oder Organisationen diese Prinzipien ebenso integrieren?

Zacher: Es gilt, vieles anders zu denken. Vor allem Führungskräfte müssen sich viele Kompetenzen von Trainer:innen oder Coaches aneignen. Dadurch entwickeln sie sowohl einfühlsame, demokratische als auch psychologisch, coachende Führungskompetenzen. Das Prinzip des Trainings und des konsequenten Anspruchs an das „Besser-werden“ von Sportler:innen findet sich ebenso in neuen Team Routinen, veränderten Weiterbildungsumfängen, veränderten Meetingstrukturen und auch Methoden wieder. Vor allem verändert sich das Verhältnis zum Begriff Konflikt – das reguläre Hinterfragen von Strukturen, Prozessen, Inhalten und Teamdynamiken wird zur neuen Regel.
 
 
Wenn Führung quasi neu gedacht werden sollte - benötigt es auch neue Führungskräfteentwicklungsprogramme? Worauf sollte hier der Fokus gelegt werden?

Zacher: Meistens sind die Fach- und Methodenkompetenzen bei Führungskräften und Mitarbeitenden gut ausgeprägt. Vielmehr sind die Aktivitäts- und Handlungskompetenzen sowie die Personal- und Sozialkompetenzen, wie bspw. Reflexion und Kommunikation, nicht gleichermaßen ausbalanciert ausgebildet oder auch geschult. Hier sollte nach meiner Erfahrung der Fokus liegen, da hier die größten Hebel liegen.
Der Entwicklung der Organisation steht oftmals im Wege, dass Konflikte nicht gelingend moderiert werden, was bedeutet, dass Problemräume oftmals nicht transparent gemacht und schon gar nicht in Lösungsräume überführt werden. Hier gilt es sehr stark, den Anspruch an Führung zu schärfen. Die Führungskraft als Coach und Pacesetter zugleich ist hier für mich das Bild, was es zu entwickeln gilt.
 
 
Passt denn der Begriff „Führungskräfteentwicklung“ noch?

Zacher: Nur im weitesten Sinn, denn Empowerment von Teams bedeutet, dass fast jede Person in gewissen Umfängen und für gewisse Zeiträume Macht bekommt und Führung übernimmt. Daher gilt es auch, die Befähigung dieser Kompetenzen nicht nur Führungskräften zu ermöglichen, sondern allen Mitarbeitenden verfügbar zu machen.
 
 
Was ist Ihnen persönlich in der Führungsarbeit wichtig?

Zacher: Man kann es sehr gut unter dem Begriff des Growth Mindsets zusammenfassen. Ich möchte in meiner Führungsrolle ermöglichen, dass Menschen, Teams und die Organisation zugleich wachsen. Mich leitet mein positives, mündiges Menschenbild. Aufgrund dessen bin ich davon überzeigt, dass viele Beschäftigte noch unentdeckte Potenziale haben, die sie sich oftmals (noch) nicht zutrauen. Sie dabei zu unterstützen, sie zu challengen und vor allem die gelingenden Team- und Organisations-Strukturen dafür zu schaffen, die zugleich auch wirtschaftlichen Erfolg begünstigen, ist die Triebfeder meines Handelns.
 
Vielen Dank für das Gespräch.


 
Anmeldung zum Blickpunkt Wirtschaft am 30. September um 19 Uhr: Blickpunkt Wirtschaft | Veranstaltung | FHV